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Bildungsliberalismus und deutsches Judentum. Historische Reflexionen auf den Spuren von George L. Mosse

Der Aufsatz nimmt George L. Mosses Frage nach der Bedeutung liberaler Bildung im deutschen Judentum seit der Aufklärung auf und ordnet Mosses Auseinandersetzung mit Gershom Scholem in den innerjüdischen Disput über den jüdischen Bildungsweg in die deutsche Kultur ein. Er untersucht, warum Reform-Rabbiner um 1900 den religiös indifferenten Liberalismus für eine Gefahr für gebildete Juden hielten, und fragt, warum das Selbstbild der deutschen Universität – Bildung durch Forschung – für Juden so attraktiv gewesen ist. Schließlich diskutiert er, wie auch in der Gegenwart eine liberale, religiös indifferente Gesellschaft auf Wertvorstellungen religiöser Menschen reagieren kann.

Nelly Sachs’s Literary Transformation in Exile, 1940–1947

Dieser Artikel untersucht die literarischen Transformationen von Nelly Sachs während der ersten sieben Jahre ihres schwedischen Exils. Zugrunde liegt die Annahme, dass diese Transformation drei Phasen durchlief. Die erste Phase, in der sie versuchte, ihre früheren Werke aus der Berliner Zeit ins Schwedische übersetzen zu lassen, wird hier als „naives Exil“ bezeichnet. In der zweiten Phase „Stille, Wissen, Spuren sammeln“ realisierte sie die Konsequenzen des Holocaust. In dieser Zeit veränderte sich ihr Schreiben. Während der dritten Phase ist ihre Lyrik von „Überleben und Zeugenschaft“ gekennzeichnet, und sie wurde zu der heute bekannten Dichterin. Schreiben war für sie überlebenswichtig und mit ihrem Werk zeugt sie für die Ermordeten, für die die keine Stimme (mehr) haben.

Defining ‘Geometric Poetics’ in Nelly Sachs’ Poetry: From “The Space of Words” to “the curved line of affliction”

In diesem Aufsatz untersucht die Autorin Worte und Konzepte in Nelly Sachs‘ Nachkriegsgedichten, die aus der Geometrie, dem Zweig der Mathematik, der sich mit Objekten im Raum und deren Beziehungen befasst, entlehnt sind. Sachs betrachtete Sprache und Texte als „Raum“, als einen buchstäblichen „Sprachraum“. Ihre Nachkriegsgedichte beruhen auf einer Orientierungskrise, die sowohl mit der Shoah als auch mit der Diaspora zu verknüpfen ist und die sie durch Punkte, Strecken, Linien, geometrische Körper und sogar Konzepte wie Pythagoras‘ „Sphärenharmonie“ konfrontiert. Neben direkten Verweisen auf die Geometrie in ihrer Dichtung kann auch ihre bevorzugte Form – der Zyklus – geometrisch verstanden werden. Vor diesem Hintergrund kann das Nachkriegswerk der Nelly Sachs m.E. als „geometrische Poetik“ bezeichnet werden.