Archive
Biographien jüdischer Frauen: „Erlöserin der Sprache“? Nelly Sachs zum 125. Geburtstag und zum 50. Jahrestag der Literaturnobelpreisverleihung
Von gespielter Dialogverweigerung zum ernsthaften Gesprächsanlass über Antisemitismus – Über eine Inszenierung von Charles Lewinskys Ein ganz gewöhnlicher Jude für das Klassenzimmer
„Jüdische Lebenswelten in Deutschland heute“ – ein Ausstellungsbesuch
Der Sechstagekrieg und seine Folgen. Die Berichterstattung über palästinensischen Terrorismus gegen Israel und das Münchener Olympia-Attentat
Die deutsche Rezeption des internationalen Terrorismus ist von der Tatsache geprägt, dass hierzulande verheerende terroristische Anschläge weitestgehend unbekannt sind. In historischer Perspektive gibt es jedoch mit dem Münchener Olympia-Attentat von 1972 und seiner medialen Transformation in der deutschen Nachkriegsgeschichte eine signifikante Verbindung mit dem sich seit dem Sechstagekrieg zunehmend internationalisierten palästinensischen Terrorismus gegen Israel und seine Unterstützer. Dieser Artikel präsentiert eine stichpunktartige Analyse der medialen Berichterstattung dieses Anschlages, um dessen Einfluss auf das kollektive deutsche Gedächtnis zu ermitteln. Ziel ist es, Gemeinsamkeiten oder Unterschiede in den jeweiligen Berichterstattungen zu eruieren, um die daraus resultierenden Folgeerscheinungen für die deutsche bzw. deutsch-jüdische Wahrnehmung der terroristischen Bedrohung abzuleiten.
„Welch Wort in die Kälte gerufen“ – eine Lyrikanthologie über die Shoah im Kontext der DDR-Erinnerungskultur
Die 1968 in der DDR veröffentlichte Gedichtanthologie „Welch Wort in die Kälte gerufen“ überrascht durch weltanschauliche Vielfalt und Fülle: Sie versammelt 361 Gedichte über die Shoah von deutschsprachigen jüdischen und nichtjüdischen AutorInnen aus aller Welt. Ein Blick auf die Entstehungs- und Editionsgeschichte zeigt die geschichts- und literaturpolitischen Bedingungen auf, die diese literarische Veröffentlichung über die Shoah in der DDR im Kalten Krieg beeinflussten. Die Analyse zweier Gedichte von Johannes Bobrowski und Louis Fürnberg verdeutlicht dagegen die Wichtigkeit individueller und ästhetischer Faktoren des Schreibens über die Shoah in der DDR, abseits eines offiziellen Geschichtsnarrativs.
Tödlicher Hass: Antisemitismus und Judenverfolgung in Dresden 1933–1945
In Dresden existierte seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ein antisemitisch-völkisches Milieu, das die Präsenz eines wirkmächtigen Antisemitismus, den Aufstieg der NSDAP und deren Judenpolitik nach 1933 grundlegend beeinflusste. Trotz der verhältnismäßig geringen Zahl an Juden in der Stadt ergriffen die Nationalsozialisten und ihr Führer Martin Mutschmann zahlreiche Eigeninitiativen, um das ‚jüdische Problem‘ zu beseitigen. Der Aufsatz zeichnet Grundlagen und Praxis der national-sozialistischen Judenpolitik in der sächsischen Gauhauptstadt zwischen 1933 und 1945 nach, die durch verschiedene Besonderheiten über die allgemeine Entwicklung von Entrechtung, Ausgrenzung und Verfolgung der Juden hinausging.
Between all fronts: The impact of World War I on Eastern-European Jewry
Im Ersten Weltkrieg fand die jüdische Bevölkerung im östlichen Europa sich auf beiden Seiten der Front wieder, da ihre Heimat zum Kriegsschauplatz geworden war. Die russische Armeeführung sah in Juden Verräter und Spione und machte sie daher zu Sündenböcken für ihr eigenes militärisches Versagen. Die Hoffnung, dass sich die Situation unter den Mittelmächten bessern würde, erfüllte sich nur bedingt. Zwar wurde der Vorwurf der Spionage nicht mehr kollektiv erhoben, man misstraute der jüdischen Bevölkerung aber weiterhin und brachte sie mit Verrat, Seuchen und Prostitution in Verbindung, denn viele sahen ihre antisemitischen Vorstellungen bestätigt – mit tragischen Folgen für die Zukunft.
Liberation or Occupation? Jews in the occupied territories of the Kingdom of Poland
Nach der russischen Evakuierung im Sommer 1915 befand sich das Königreich Polen unter deutscher und österreichischer Besatzung. Für die Juden bedeutet diese Situation einerseits die Befreiung von der russischen Herrschaft, auf der anderen Seite hat die rücksichtslose Ausbeutung des Landes durch die Besatzer zur Verarmung der Bewohner und zur dramatischen Verschlechterung polnisch-jüdischen Beziehungen beigetragen. Doch die liberale Kulturpolitik der Besatzer, die Einführung der freien Kommunalwahlen sowie die Gleichberechtigung der polnischen Juden trugen zur Entwicklung der Zivilgesellschaft und zur wachsenden politischen Bedeutung der ‘Ostjuden’ bei.
A woman assimilationist and the Great War: The Case of Aniela Kallas
Gegenstand der Analyse ist der Roman Czyściec (Fegefeuer,1921) von Aniela Kallas (Aniela Korngut, 1868–1942), einer Autorin der assimilatorischen Bewegung. Verfasst in der Form eines Frauentagebuchs in der Zeit des Großen Kriegs, der Roman diagnostiziert im Krieg einen Wendepunkt der europäischen und polnischen Geschichte sowie erkennt seinen neuen Charakter, der sich sowohl in den Kämpfen an der Frontlinie als auch in der Situation der Zivilisten manifestiert. Das Werk stellt die Kriegserfahrung dar und verweist zugleich auf die Krise der assimilatorischen Bewegung, d.h. auf die Marginalisierung der jüdischen Perspektive und die Zuwendung zur radikalen Polonisierung.