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„Wir haben sie lange gesucht“: Drobizki Jar, 1941–2016

Basierend auf neueren interdisziplinären Ansätzen, die die Rolle von Räumen für die Holocaustforschung hervorheben, vollzieht der Text eine zweifache Rekonstruktionsbewegung: Einerseits wird die Geschichte Drobizki Jars als Ort der Vernichtung der Charkower Juden und Jüdinnen im Zweiten Weltkrieg und als Erinnerungsort von der Sowjetzeit bis in die Gegenwart skizziert. Damit verknüpft wird zum zweiten eine Analyse der Darstellung des Holocaust in Charkow in Jan Himmelfarbs Roman „Sterndeutung“ (2015) und seiner Bedeutung im postsowjetischen und deutschen Literaturraum. So entsteht ein vielschichtiges und aus unterschiedlichen Blickwinkeln erarbeitetes Portrait dieser kaum bekannten Todeslandschaft in der Ukraine und ihrer Erinnerung.

Rettung, Widerstand und Erneuerung. Die Familie Loewy und die Beth-Hebrew-Synagoge in Phoenix, Arizona

Die Beth-Hebrew-Synagoge in Phoenix ist ein jüdischer Ort, an dem sich die Geschichte der Rettung, des Widerstands und der Erneuerung jüdischen Lebens nach dem Holocaust ablesen lässt. Sie wurde von der Loewy-Familie mitgegründet, die 1.500 Menschen aus einem Vichy-Lager rettete und im Widerstand kämpfte. Die Geschichte dieser Familie kann als Suche nach einem jüdischen Ort gelesen werden. Doch Beth Hebrew befand sich auch in einer durch große Ungleichheit geprägten Stadt. Später spiegelte der Ort die Suche nach Sicherheit und Identität einer Mexican-American-Pentecostal-Kirche und eines African-American-Teaters.

Jüdischer Raum in Shanghai während des Zweiten Weltkriegs

Hongkou war ein Stadtteil Shanghais, in dem sich viele jüdische Emigrant*innen, die vor allem zwischen 1938 und 1939 aus Nazi-Deutschland und Österreich geflohen waren, niederlassen konnten. 1943 wurde dort von der japanischen Besatzungsmacht eine spezielle Zone eingerichtet, in die die Emigrant*innen übersiedeln mussten. Diese Zone, später Shanghaier Ghetto genannt, gilt bis heute als Inbegriff eines jüdischen Überlebensraumes für circa 18.000 jüdische Emigrant*innen. Im Aufsatz wird unter besonderer Berücksichtigung der Wohnverhältnisse aus mikrogeschichtlicher Perspektive dieser jüdische Raum in Ostasien untersucht.

Das Körnchen Wahrheit im Mythos: Israelis in Deutschland ̛– Diskurse, Empirie und Forschungsdesiderate

Israelis in Deutschland sind von Interesse. Aber für wen? Und warum? Wer sind diese Israelis? Wie kann man ihre Migration nach, und ihre Lebenswelten in Deutschland theoretisch und methodisch greifen? Diesen Fragen wird dieser Essay nachgehen, der auf die Daten des Forschungsprojektes „The Migration of Israeli Jews to Germany since 1990“ (GIF 1186) zugreift und über diese hinausgeht. Die Datensammlung entspringt dem Ansatz der multi-sited ethnography, um der Bandbreite israelischer Lebenswelten gerecht zu werden. So wird die vorgelagerte Forschung, der Projektverlauf und das Framing dargestellt, danach Diskurse über Israelis und schließlich empirischen Daten um Mythen über Israelis auf ihren Wahrheitsgehalt testen und schließlich aufzeigen, welche möglichen Fragestellungen sich aus den Ergebnissen ergeben und wie wichtig es wäre, Grundlagenforschung verstetigt zu betreiben.