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Transnationale Gemeinden? Der Einfluss jüdischer Remigration und Diaspora auf die Entwicklung der jüdischen Gemeinden in Dresden und Würzburg nach 1945

Remigration und Austauschbeziehungen in die Diaspora untermauerten das Selbstverständnis der transnationalen Gemeinschaft der Juden in Deutschland nach 1945. Aber wie entwickelte sich jüdisches Gemeindeleben unter ihrem Einfluss im geteilten Deutschland? Im Beitrag werden am Beispiel der Gemeinden in Dresden und Würzburg Säkularisierungs- und Traditionsbelebungsprozesse unter dem Einfluss von Remigration nachvollzogen. Unter Einbeziehung der politischen Bedingungen im Kalten Krieg wird als Zweites der Frage nachgegangen, welche Rolle transnationale Beziehungen und Räume für das jeweilige Gemeindeleben spielten.

Getting (Re-)Started: Jewish Migrant Livelihoods in Early Postwar Western Germany

In dem vorliegenden Artikel werden osteuropäisch-jüdische Existenzgrundlagen im westlichen Teil Deutschlands in den ersten Jahren nach dem Holocaust untersucht. Die unterschiedlichen Wege, die jüdische Displaced Persons in die Arbeitswelt genommen haben, werden skizziert: die alliierte Wirtschaft, der Schwarzmarkt, die deutsche Wirtschaft. Mit der Zeit wurde eine unternehmerische Tätigkeit in der formellen deutschen Wirtschaft zum bevorzugten Weg, einen Lebensunterhalt zu bestreiten. In den hier besprochenen Jahren konvergierten die Folgen der NS-Verfolgung jedoch mit den Überresten einer rassifizierten Wirtschaftsordnung, um jüdische Ausländer, die ein Unternehmen gründen wollten, stark zu benachteiligen.

Ausreisen, zurückkehren, bleiben? Jüdische Migrationswege nach Polen und aus Polen, 1944–1968

Nach dem Zweiten Weltkrieg lenkte die Volksrepublik Polen Hunderttausende Überlebende des Holocaust in die im Zuge der Westverschiebung des Landes neu zu Polen gehörenden Regionen Niederschlesien und Hinterpommern, wo lebendige Zentren jüdischer Ansiedlung entstanden. Angesichts des Antisemitismus, der in innerparteilichen Auseinandersetzungen immer wieder aktiviert wurde und den die Gesellschaft mehrheitlich sanktionierte, emigrierte bis 1968 ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung beziehungsweise wurde vertrieben. Der Artikel analysiert die Lage Polens nach dem Krieg, zeichnet die Migrationswellen und ihre politischen Rahmenbedingungen nach und diskutiert die jeweils zugrunde liegenden Push- und Pull- Faktoren.

Migration und Stabilisierung. Jüdisches Leben in Frankfurt am Main nach 1945

Frankfurt am Main galt vor 1933 als ‚jüdischste Stadt‘ in Deutschland. Nach 1945 entstand wieder eine jüdische Gemeinde. Eine dauerhafte Zukunft jüdischen Lebens war allerdings nur durch stete Zuwanderung möglich. Der Beitrag skizziert die besondere Situation in Frankfurt, wo die US-Armee ihr europäisches Hauptquartier einrichtete, und zeichnet am Frankfurter Beispiel nach, dass die Integration der ‚Displaced Persons‘ zwar institutionell problemlos verlief, im Gemeindeleben aber für längere Zeit Probleme bestehen blieben. Auch spätere Zuwanderung von Jüdinnen und Juden aus Israel seit den 1950er Jahren stabilisierte jüdisches Leben und verkomplizierte es gleichermaßen.

Dem Holocaust entkommen: Jüdische Migrationswege zwischen Polen, der Sowjetunion und Deutschland, 1939–1948

Etwa 230.000 polnische Jüdinnen und Juden überlebten deutsche Besatzung, Krieg und Holocaust im unbesetzten Landesinneren der Sowjetunion. Der Beitrag folgt dem Weg der Flüchtlinge und in sowjetische Arbeitslager Verschleppten auf der Grundlage zahlreicher Egodokumente. Wenngleich das Überleben beider Gruppen in der Fremde zu keiner Zeit garantiert war, erwies sich in der Rückschau ihr Aufenthalt in der Sowjetunion als lebensrettend – eine Tatsache, die lange Zeit nur wenig Beachtung in Öffentlichkeit und Wissenschaft fand. Der Beitrag endet mit einer Darstellung des langen Wegs aus dem Exil zurück nach Polen und weiter in die Lager für Displaced Persons im besetzten Nachkriegsdeutschland.

Stillschweigen im religiösen Feld. Der Neustart interreligiöser Beziehungen im Berlin der Nachkriegszeit

1947 gründete der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Siegmund Weltlinger, die Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Groß-Berlin (AKR). Um die Position der jüdischen Gemeinde zu stärken, rief er darin die Gruppe ‚Nichtchristliche Religionen‘ ins Leben, die Juden, Muslime und Buddhisten umfasste. Der Beitrag schaut zuerst auf ihre Beziehungen in der Zwischenkriegszeit und fragt, was davon übrigblieb und was verschwiegen werden musste, um die Zusammenarbeit gelingen zu lassen.