Im vergangenen Jahr erschien das Buch „Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen“1 von Judith Coffey und Vivien Laumann. Es versteht sich als Intervention in linke und queerfeministische Szenen, denen die Autorinnen unter dem Begriff „Gojnormativität“ attestieren, jüdische Menschen und Personen systematisch unsichtbar zu machen. Im Interview geht es um die Hintergründe und Details dieser Analyse, aber auch darum, ob das Konzept nicht auch weit über diese Szenen hinaus eine treffende Beschreibung der Verhältnisse liefert. Mit Vivien Laumann, einer der Autorinnen, sprach unser Redaktionsmitglied Mathias Berek.
Archive
Dekel Peretz: Zionism and Cosmopolitanism. Franz Oppenheimer and the Dream of a Jewish Future in Germany and Palestine
Weronika Kostyrko: Die Tänzerin und die Shoah. Die Geschichte Pola Nireńskas
Avraham Siluk: Die Juden im politischen System des Alten Reichs
Anetta Kahane/Martin Jander (Hg.): Juden in der DDR. Jüdisch sein zwischen Anpassung, Dissidenz, Illusion und Repression. Porträts
Michael A. Meyer: Leo Baeck. Rabbiner in bedrängter Zeit
Yehoshua Ben-Arieh: The Making of Eretz Israel in the Modern Era. A historical-geographical study (1799–1949)
Queer Jewish Studies – Ein Fach neu denken
Das neue Forschungsfeld der Queer Jewish Studies formiert sich durch eine steigende Zahl an Publikationen, die das queere, das heißt nichtheteronormative, Kategorien brechende und disruptive Potenzial in den Jüdischen Studien berücksichtigen. Ausgehend von den Anfängen in den 1980er Jahren, in denen queere Juden*Jüdinnen versuchten, sich Gehör zu verschaffen, liefert dieser Artikel einen Überblick über die bereits erbrachten Leistungen in diesem Feld. Ferner verweist er darauf, wie die Jewish Studies weiter wachsen und eine bessere Version ihrer selbst werden können, wenn sie intersektionale und vielfältigere Perspektiven einnehmen.
Ohne Grenzen – (Deutsch-)Jüdische Geschichte transnational
In seinem Aufsatz setzt sich der Autor mit den Potentialen transnationaler Ansätze in der deutsch-jüdischen Geschichte auseinander und tritt dafür ein, derartige Ansätze stärker in der deutsch-jüdischen Historiographie zu etablieren. Er vertritt dabei die These, dass jüdische Geschichte im allgemeinen und die deutsch-jüdische Geschichte im besonderen Paradebeispiele trans- nationaler Verflechtungen darstellen und diese Verflechtungen dennoch kaum erforscht werden. Eine der zentralen Gründe für diese nationale Engführung liegt in der historiographischen Bedeutung des Holocausts. Durch die Bindung der deutsch-jüdischen Geschichte an den Holocaust bei gleichzeitiger Betonung dessen historischer Singularität wird auch die deutsch- jüdische Geschichte als eine besondere und singuläre begriffen und somit in der historischen Forschung von ihren transnationalen Bezügen getrennt. Er exemplifiziert diese These anhand der Entwicklungen der deutsch-jüdischen Historiographie nach 1945 bis zur gegenwärtigen Forschungsgeneration. In dieser sind einige vielversprechende Ansätze einer Transnationalisierung der deutsch-jüdischen Geschichte zu verzeichnen (spatial turn, postcolonial studies, German-Jewish diaspora etc.), die sich bisher aber noch nicht zu einem übergreifenden Forschungszusammenhang oder -ansatz ausbilden konnten. Abschließend plädiert er dafür, die deutsch-jüdische Geschichte als transnationale zu erforschen und sich damit auch in der Forschungspraxis möglichst von nationalen Beschränkungen freizumachen.
Eine Virtuelle Plattform Jüdisches Leben in Sachsen. Schlussfolgerungen zur aktuellen Diskussion um ein Jüdisches Museum für Sachsen
Seit einigen Monaten wird in Sachsen über die Errichtung eines Jüdischen Museums diskutiert. Gerungen wird dabei um mögliche Standorte und – bislang noch sehr begrenzt – um erste inhaltliche Ideen, doch eine Analyse der vorhandenen dezentralen Strukturen und Angebote zu jüdischem Leben in Sachsen bleibt aus. Letztere sind in ihren Reichweiten oft regional beschränkt und dadurch für viele ‚unsichtbar‘. Diese vermeintliche Leerstelle ist ein zentrales Argument von Museumsbefürworter:innen. Der Beitrag geht vor diesem Hintergrund auf den Zwischenstand der aktuellen Debatte und die umfangreich vorhandenen Strukturen ein. Er entwickelt darauf aufbauend die Idee einer Virtuellen Plattform Jüdisches Leben in Sachsen, die vernetzend, innovativ wie auch partizipativ gedacht ist und dabei weit über den Gedanken einer rein musealen Repräsentation jüdischen Lebens hinausgeht.