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Editorial 17 (2023), 32

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freundinnen und Freunde von Medaon,

wir freuen uns, Ihnen die diesjährige Frühjahrsausgabe präsentieren zu können. Gleich zwei Beiträge kreisen um die Entwicklung der jüdischen Jugendorganisation Hashomer Hatzair in den 1930er Jahren: In historischer Perspektive nähert sich Nora Kissling ausführlich der Entwicklung des amerikanischen Teils der Bewegung an. Nitzan Menagem und Julia Salomo hingegen stellen ein Geschichtsprojekt der heutigen Berliner Ortsgruppe (Ken) vor, in dem sich Verbandsmitglieder und andere, Juden wie Nichtjuden, mit der Bewegungsgeschichte im Berlin der 1930er Jahre auseinandersetzten und daran anknüpfend Bildungsmaterialien entwickelten.

Neben einer Vielzahl weiterer Einzelbeiträge und Rezensionen führt Veronika Jičínská im Rahmen unserer Reihe „Biographien jüdischer Frauen“ in das Leben und Werk der Schriftstellerin Gisa Picková-Saudková ein. Dani Kranz und Sarah M. Ross nehmen unter Rückgriff auf das Konzept der „Gojnormativität“ eine Rückschau auf die Aktivitäten des Festjahres „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ vor.

Für ihre Unterstützung bei der Fertigstellung dieses Hefts danken wir allen Gut- achterinnen und Gutachtern sehr herzlich. Die Korrekturen bzw. Übersetzungen übernahmen in der gewohnten Gründlichkeit und Zuverlässigkeit Steffen Schröter von text plus form, Cathleen Bürgelt, Patricia Casey Sutcliffe und Margaret-Ann Schellenberg – ihnen sind wir ebenfalls zu großem Dank verpflichtet.

Ebenso danken möchten wir Claudia Prestel, die nach mehreren Jahren des Engagements in der Teilredaktion „Jüdisches Leben nach 1945“ Medaon verlässt. Wir wünschen ihr für alle persönlichen und wissenschaftlichen Vorhaben alles Gute!

Gleichzeitig möchten wir unsere neuen Redaktionsmitglieder Moritz Bauerfeind und Steffen Heidrich begrüßen, die ab sofort die Teilredaktionen „Rezensionen“ bzw. „Jüdisches Leben nach 1945“ unterstützen – wir freuen uns sehr über ihren Einstieg und auf die Zusammenarbeit!

Die Redaktion von Medaon im Mai 2023.

Immanuel Kants Einfluss auf Saul Ascher. Affirmation und Abgrenzung in Betrachtungen von Religion und Revolution

Saul Aschers frühe religionsphilosophische Schriften waren von der kritischen Philosophie Immanuel Kants geprägt. Im Laufe der 1790er Jahre lassen sich allerdings gewisse Bruchstellen entdecken, etwa 1794 in Form einer direkten Kritik an judenfeindlichen Elementen in Kants Religionskritik von 1793. In Aschers revolutionssoziologischer Schrift von 1799/1802 finden sich bereits später vertiefte abolitionistische Elemente und eine Abkehr vom kategorischen Imperativ. Der vorliegende Beitrag eruiert den Wandel des kantianischen Einfluss auf Aschers philosophische Werke der 1790er Jahre.

„Die Verteidigung der Demokratie obliegt dem Proletariat“. Der Republikanische Schutzbund, das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und die Auseinandersetzungen mit dem politischen Judenhass

Nach ihren Gründungen 1923/24 befanden sich das Reichsbanner Schwarz- Rot-Gold und der Republikanische Schutzbund in einer ähnlichen Situation: Beide versammelten vorrangig sozialdemokratische Stimmen gegen antidemokratische Bewegungen, um die republikanische Ordnung zu verteidigen. Doch während das Reichsbanner den politischen Judenhass als Instrument völkischer und deutschnationaler Parteien bewertete und im Laufe der 1920er Jahre auf antisemitische Propaganda reagierte, blieb im Schutzbund eine intensive Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus aus. Der Beitrag geht den Abwehrstrategien beider Akteure nach und analysiert neben deren Selbstsichten die politischen Konstellationen, aus denen die Gegenstrategien von Reichsbanner und Schutzbund erwuchsen.