Archive

Der Blick in die Quellen: Ländliches Judentum im Elsass mit Berücksichtigung der jiddischen Sprache (19.–20. Jahrhundert)

Anfang des 19. Jahrhunderts befand sich das Landjudentum im Elsass trotz antisemitischer Ausschreitungen in einer Blütephase. Im Laufe des 19. Jahrhunderts setzte eine Phase der Auflösung jüdischer Landgemeinden durch Landflucht oder Auswanderung, Übersiedelung nach Frankreich nach dem Deutsch-Französischen Krieg und der Annektierung Elsass-Lothringens durch das Deutsche Reich und die Umsiedlung in größere Städte zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein. Die Vertreibung und Ermordung durch die Nationalsozialisten setzte dem verbleibenden Landjudentum ein schroffes Ende. Anhand von verschiedenen Quellen in der jahrhundertealten Umgangssprache Jeddisch-Daitsch wird im Beitrag das elsässische Landjudentum in seinem Wandel und Ringen nach Identität dargestellt.

Kommunalismus und jüdische Emanzipation. Bürgergemeindlicher Widerstand als politischer Faktor in der Schweiz

Der Artikel betrachtet den Gang der jüdischen Emanzipation in der Schweiz im 19. Jahrhundert unter Berücksichtigung des Einflusses der politischen Bürgergemeinden. Wie sahen die gemeindlichen Widerstände gegen die Einbürgerung der Juden aus und wie konnten sie die politische Gleichstellung der Juden verzögern? Und wie gingen die Regierungen mit diesen Widerständen um? Um diese Fragen zu beantworten, werden zum einen die politischen Ereignisse rund um den gemeindlichen Widerstand gegen die Einbürgerung der Juden in Oberendingen und Lengnau untersucht, den beiden Dorfgemeinden, in denen die meisten der schweizerischen Juden lebten.

Was blieb von der Jüdischen Schule in Hohenems?

Die jüdische Schulgeschichte in Hohenems reicht bis zum ersten Schutzbrief zurück, der 1617 vom damaligen Reichsgraf Kaspar erlassen wurde. Aus den anfangs zwölf Familien waren zur Mitte des 19. Jahrhunderts über 120 Familien geworden, die seit 1828 auch über ein adäquates Schulhaus verfügten. Die folgenden Jahrzehnte waren von höchst unterschiedlichen Entwicklungen geprägt, denn während die hohe Unterrichtsqualität gehalten werden konnte, sank die Zahl der Schulkinder. Nach der Schließung 1913 als Wohnhaus genutzt, steht die renovierte ehemalige Jüdische Schule heute unter Denkmalschutz und beherbergt ein Restaurant.

Jüdisch-christliche Wahrnehmungen zum Zusammenleben in fränkischen Landgemeinden im 19. und frühen 20. Jahrhundert

Der Artikel versucht nachzuzeichnen, wie christliche und jüdische Autoren die jeweils andere Gemeinschaft wahrgenommen und beschrieben haben. Die verwendeten Quellen schildern im Wesentlichen Ereignisse und Verhältnisse aus der Zeit von etwa 1830 bis 1920. Sie reichen von Pfarrbeschreibungen über historiografische Untersuchungen bis hin zu Memoiren. Diese haben zwar primär die Geschichte der eigenen Gemeinschaft im Blick, vermitteln aber auch Einblicke in Interaktionen zwischen Jüdinnen bzw. Juden und Christinnen bzw. Christen sowie Wahrnehmungen und Wertungen der jeweils anderen Gruppe.

Editorial 17 (2023), 33

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freundinnen und Freunde von Medaon,

als Redaktion eines Magazins für jüdisches Leben in Forschung und Bildung können wir dieses Editorial nicht erscheinen lassen, ohne unser Entsetzen und unsere Trauer über das antisemitische Massaker der Hamas in Israel zum Ausdruck zu bringen – und die tiefe Sorge darum, wie massiv die Bedrohung von Juden und Jüdinnen auch in Deutschland seitdem angestiegen ist. Doch auch wenn der 7. Oktober 2023 den Beginn einer dunkleren Zeit markiert, in der die Vernichtungswut der islamistischen Täter weltweit Verständnis, Rechtfertigung oder Nachahmung findet, wird diese Sorge nicht in Resignation gegenüber Antisemitismus münden. Wir trauern um die Opfer, fühlen mit den Angehörigen und stehen weiterhin solidarisch an der Seite von Juden und Jüdinnen, wenn sie als solche angegriffen werden. Im Quellen-Abschnitt dokumentieren wir die Erklärung der Israelischen Nationalbibliothek zur Gründung eines Archivs des Massakers vom 7. Oktober und des Krieges, mit dem alle in diesem Zusammenhang entstandenen Medien so umfassend wie möglich gesammelt und zur Verfügung gestellt werden sollen.

Mit Antisemitismus, der Shoah und den Reaktionen darauf beschäftigen sich mehrere Beiträge in dieser Ausgabe. Thomas Kestler untersucht die jüdischen Reaktionen auf den Judenhass des protestantischen Theologen Friedrich Wilhelm Ghillany im Vormärz. Małgorzata Popiołek-Roßkamp befasst sich mit der Situation von polnisch-jüdischen Architekten in den 1930er Jahren an der Technischen Universität Warschau, in Fachverbänden und auf dem polnischen Arbeitsmarkt. Norman Böttcher schreibt über die Unterstützung internationaler jüdischer Organisationen und vor allem aus dem jungen Staat Israel bei der Reprofessionalisierung jüdischer Sozialer Arbeit in Deutschland nach der Shoah. Und Harry Friebel befasst sich mit der Frage, warum nach der Befreiung 1945 durch die Alliierten aus der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ keine bundesrepublikanische Verantwortungsgemeinschaft folgte. Mit dem Lernen aus der Vergangenheit setzt sich auch Tanja Kinzels Vorstellung eines Interviewprojekts zu Kontinuitäten und Brüchen jüdischer Perspektiven auf Antisemitismus auseinander.

Andere Aspekte jüdischen Lebens nehmen in dieser Ausgabe Maja Hultmann und Susanne Korbel in den Blick, wenn sie das Projekt einer digitalen Thick Map jüdischer Kulturen in Europa vorstellen. Und während Kristina Milz Leben und Werk des Orientalisten Karl Süßheim am Beginn des 20. Jahrhunderts vorstellt, wirft in unserer Reihe zu Biographien jüdischer Frauen Lutz Fiedler einen aktualisierten Blick auf Hannah Arendt. Und natürlich werden auch in dieser Ausgabe einschlägige Neuerscheinungen besprochen.

Mit tiefem Dank, aber auch Bedauern verabschieden wir uns mit dieser Ausgabe von unserem langjährigen Redaktionsmitglied Melanie Eulitz. Sie hat die Rezensionsabteilung über viele Jahre fachlich versiert, freundlich und engagiert mitgestaltet und geprägt. Wir danken ihr sehr für die lange und gute Zusammenarbeit und wünschen ihr alles Gute.

Ein sehr herzlicher Dank für ihre Unterstützung bei der Fertigstellung dieses Hefts geht auch an alle Gutachter*innen. Die Korrekturen bzw. Übersetzungen übernahmen in der gewohnten Gründlichkeit und Zuverlässigkeit Steffen Schröter von text plus form, Cathleen Bürgelt, Casey Sutcliffe und Margaret Schellenberg – ihnen sind wir ebenfalls zu großem Dank verpflichtet.

Die Redaktion von Medaon im November 2023.