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Vom Ende des jüdischen Schulwesens in Breslau

Das Ende des jüdischen Schulwesens in Breslau wird vor allem nach den im (polnischen) Staatsarchiv zu Breslau [Archivum Panstwowe we Wroclawiu] befindlichen Akten des Magistrats der schlesischen Provinzhauptstadt Breslau und darunter insbesondere den der Magistratsschulverwaltung für die Zeit zwischen 1933 und 1942 aufgezeichnet.

Der jüdische Hoffaktor Berend Lehmann und die Finanzierung der polnischen Königskrone für August den Starken

Der Artikel beschäftigt sich mit dem Halberstädter jüdischen Hoffaktoren Berend Lehmann (1661-1730), der auf vielfältige Weise für den sächsischen Kurfürsten und späteren König von Polen August den Starken tätig war. Dabei wird der Erwerb der polnischen Königskrone thematisiert, die vor allem wegen des Einsatzes erheblicher finanzieller Mittel gelang, für deren Beschaffung Berend Lehmann maßgeblich zuständig war. Sein Engagement wird durch den polnischen König schließlich mit der Ernennung zum “Residenten im Niedersächsischen Kreis” gewürdigt. Obwohl Berend Lehmann seinen – wenn auch unsicheren – Einfluss am sächsischen Hof nutzte, um sich für die Belange seiner Glaubensgenossen einzusetzen, verblieb ihm selbst ein Wohnrecht in Dresden sehr lange verwehrt. Daher konzentrierte sich sein Repräsentationsbedürfnis auf die Förderung der jüdischen Religion und Gelehrsamkeit – nicht zuletzt, um damit sein finanzielles Potential zu verdeutlichen und sich der Nachwelt als Mäzen einzuschreiben.

Die Sozialethik des Judentums – das Beispiel Leo Baeck

Hilfe und Unterstützung für Menschen in prekären Lebensverhältnissen durchzieht die gesamte jüdische Geschichte. Die Thora, die in ihr festgeschriebene Sozialgesetzgebung, die Talmudim und Beschreibungen von Hilfeleistungen für Arme und Kranke in der Diaspora legen hiervon Zeugnis ab. Begründet werden individuelle Hilfeleistungen und kollektive Wohlfahrt besonders mit der Sozialethik der jüdischen Religion. Als in Deutschland der 1920er die jüdische Wohlfahrt ein integraler Bestandteil des sich herausbildenden Wohlfahrtssystems wurde, thematisierten Leo Baeck und andere in Aufsätzen und Monographien die religiös-sozialethischen Begründungsmuster jüdischer Wohlfahrt. Nachfolgend sollen die Ansichten Baecks zur Sozialethik des Judentums und sein Menschenbild vorgestellt werden.

Flucht in die Moral ? – Museale Darstellungen des Holocaust zwischen nationalen Fragen und universellen Zugängen

Der Aufsatz thematisiert das Spannungsverhältnis von nationalen Erinnerungskulturen und dem Trend zur Universalisierung der Holocaust-Erinnerung, die “Auschwitz” zu einer transnationalen moralischen Metapher, zu einem Sinnbild des “Bösen” umdeutet, um so an die Einhaltung von Menschenrechten zu mahnen. Das trotz dieses Trends die jeweiligen nationalen Erinnerungskulturen einen starken Einfluss auf die Holocaust-Erinnerung und ihre museale Präsentation haben, wird am Beispiel Norwegen (Holocaust Center, Oslo) und Ungarn (Holocaust Memorial Center, Budapest) verdeutlicht. Darüber hinaus wird ein entscheidendes Merkmal aller neueren musealen Holocaust-Darstellungen thematisiert: die zunehmende individualisierte und personalisierte Erzählweise, die – so eine These des Aufsatzes – in engem Wechselverhältnis zur Universalisierung des Holocaust steht.

Jüdische wohltätige Stiftungen in Breslau

Die Pflicht, den Armen und Bedürftigen zu helfen und sie zu beschenken ist oftmals in der Bibel festgeschrieben und wurde von den Rabbinern aller Epochen für eine der wichtigsten des Judentums gehalten. Die Stiftungen waren eine der modernen Formen jüdischer Wohltätigkeit – Zedakah. Der Artikel gibt einen kurzen Überblick über die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Breslau, dann beschreibt er die drei repräsentativen jüdischen Stiftungen und nennt andere Stiftungen und deren Wirkungsfeld. Schließlich werden verschiedene Typen der Wohltätigkeit vorgestellt, die sich vom 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg veränderten und es wird die Frage beantwortet, warum die meisten von ihnen sich mit den Wohnverhältnissen der Armen beschäftigten.

Editorial Ausgabe 1

Heute erscheint das erste Heft der Online-Zeitschrift “Medaon – Magazin für jüdisches Leben in Forschung und Bildung”. Die Zeitschrift ist nicht nur das Ergebnis des fortdauernden Interesses am Judentum und jüdischen Leben, das innerhalb der letzten zwei Dekaden einige neue Periodika mit entsprechendem thematischem Bezug hervorgebracht hat. Sie ist auch dem Wunsch geschuldet, ein wissenschaftliches Organ zu etablieren, das der Wissenschaft aber auch dem Sektor der schulischen und akademischen (Aus-)Bildung sowie interessierten wissenschaftlichen Laien einen kostenlosen und niedrigschwelligen Zugang bietet. Dies schien am besten gewährleistet durch die Bereitstellung einer Online-Zeitschrift, auf deren Beiträge jederzeit und von vielen Orten ohne größeren Aufwand zurückgegriffen werden kann.

Dabei setzt Medaon im Gegensatz zur Anlage anderer wissenschaftlicher Zeitschriften bewusst darauf, ein möglichst breites, interdisziplinäres Spektrum an Themen mit Bezügen zur Geschichte, Kultur, Religion und Gegenwart der Juden/des Judentums im nationalen, inter- und transnationalen Raum sowie Fragen ihrer didaktischen Vermittlung abdecken zu können. Sie soll auch außerhalb des institutionellen Diskurses als Forum für die Diskussion wissenschaftlicher Ergebnisse und für Meinungsaustausch dienen. Dies soll auch durch die Möglichkeit der Wahl verschiedenen Beitragsformen – Fachartikel, Miszellen und Quellen, Rezensionen – gewährleistet werden. Eine Besonderheit von Medaon ist, dass sie neben wissenschaftlichen Fachaufsätzen auch qualitative Ergebnisse in den Forschungsdiskurs einzubringen sucht, die im Rahmen von studentischen Hausarbeiten, Praktika sowie Schülerarbeiten oder semiprofessioneller Forschung entstanden und durch die Redaktion betreut worden sind. Dadurch wird gleichzeitig ein Beitrag zur Vernetzung der Forschungslandschaft geleistet, der sich nicht auf den universitären Bereich beschränkt.

Entsprechend finden sich in diesem Heft Artikel und Beiträge, die die wissenschaftliche Vielfalt widerspiegeln, die sich Medaon für die Zukunft wünscht: So befasst sich Cathleen Bürgelt mit einem der bekanntesten europäischen Hofjuden Berend Lehmann und dessen Bedeutung für den Erwerb der polnischen Königskrone durch den sächsischen König 1697. Mit den Artikeln von Roland Müller und Miroslawa Lenarcik widmen sich gleich zwei Artikel dem jüdischen Leben in Breslau im 19. und 20. Jahrhundert. Während Müller die Zerstörung des jüdischen Schulwesens zwischen 1933 und 1942 schildert, wendet sich Lenarcik den jüdischen Stiftungen der Stadt zu, an denen sie den Wandel der jüdischen Philanthropie festmacht.

Ebenfalls mit der Frage des wohltätigen Handelns beschäftigt sich Gerd Stecklina. Sein Aufsatz thematisiert Leo Baecks Einsatz für die Fortentwicklung der jüdischen Wohlfahrtspflege in den 1920er Jahren. Schließlich behandelt Jana Mikota die Bedeutung von Otto Rühle und Alice Rühle-Gerstel hinsichtlich der Lesesozialisation proletarischer Kinder und Jugendlicher in der Weimarer Republik und Katja Köhr stellt sich die Frage der Holocaust-Rezeption in der Konzeption der neuen Holocaust-Museen in Oslo und Budapest, wobei sie besonders auf das Spannungsverhältnis von nationalen Erinnerungskulturen und dem Trend zur Universalisierung der Holocaust-Erinnerung hinweist.

Neben den genannten Artikeln, findet der Leser weitere kleine Beiträge, die sich zum einen mit Aspekten der Geschichte und aktuellen Situation der Juden in Sachsen und speziell Dresden, zum anderen aber auch mit den Neubauten der Israelitischen Kultusgemeinde in München beschäftigen.

Die Redaktion von MedaonDresden, Oktober 2007