Die Ereignisse rund um den Hitler-Ludendorff-Putsch vom 8./9. November 1923 gelten als gut erforscht. Wenig Beachtung fand bisher allerdings die antisemitische Stoßrichtung des Umsturzversuchs und die Wahrnehmung der Geschehnisse aus jüdischer Perspektive. Der vorliegende Aufsatz untersucht die Vorgänge aus dem Blickwinkel der Juden in Bayern und legt die Gründe für den nach der Revolution von 1918/19 gerade in Bayern stark angewachsenen Antisemitismus und die unterschiedlichen Reaktionen darauf dar.
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Re-Lektüre – Kautsky, Light and Shadow: Reading Benedikt Kautsky in 2018
9. November 1923: Der Hitlerputsch, Mein Kampf und die Verschärfung von Hitlers Judenhass
Nach seinem Putschversuchs am 9. November 1923 und seiner Verurteilung als Hochverräter fand Hitler Zeit, „Mein Kampf“zu verfassen. Im Juli 1924 betonte er in einem Interview, die Arbeit an seinem Buch habe ihm klar gemacht, dass er dem Judentum gegenüber bisher zu milde gewesen sei; in Zukunft wolle er „die schärfsten Kampfmittel“ anwenden. Der Beitrag geht den Fragen nach, wann sich Hitlers rassistischer Antisemitismus herausbildete, welche Rolle dabei die Arbeit an „Mein Kampf“spielte und wie sich Hitlers Antisemitismus danach immer weiter radikalisierte.
Ruth Zeifert: Nicht ganz koscher. Vaterjuden in Deutschland
Bernd Fischer: Ein anderer Blick. Saul Aschers politische Schriften
#DHJewish – Jewish Studies in the digital age
Der Artikel nimmt die gemeinsame Schnittmenge von Jewish Studies und Digital Humanities (DH) in den Blick. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach dem Nutzen von digitalen Methoden im Hinblick auf die charakteristischen Besonderheiten der Jewish Studies, etwa ihrer Untersuchungsgegenstände und ihrer Quellen. Lassen sich gemeinsame Herausforderungen benennen, denen gerade Forscherinnen und Forscher in den Jewish Studies gegenüber stehen und wie können andererseits die Jewish Studies von den Entwicklungen im Bereich der DH in besonderem Maße profitieren? Auch wenn Jewish Studies ein weit gefasster Oberbegriff ist (wie dies auch für die DH zutrifft), wird an dieser Stelle dennoch die Annahme vertreten, dass es einige spezifische Gemeinsamkeiten aller zugehörigen (Sub-)Disziplinen gibt. Bei der Frage nach den Überlappungen von Jewish Studies und DH geht es genau um diese Charakteristika und ihre Übersetzung in digitale Anforderungen. Als Hauptaufgabe kristallisiert sich – so die These – die Sicherung, Bereitstellung und Analyse des in alle Welt verstreuten vielsprachigen und mehrschriftlichen Quellenmaterials heraus.
‚Prager Frühling‘ (1968) als ‚zionistische Verschwörung‘. Der Fall Eduard Goldstücker (1913–2000)
Der „Prager Frühling“ 1968 markierte eine Zäsur in der Geschichte Osteuropas. Nach dem sowjetischen Einmarsch in die Tschechoslowakei (August 1968) und der brutalen Niederschlagung des tschechoslowakischen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ stilisierte die kommunistische Propaganda den „Prager Frühling“ zu einer vom Westen geförderten „zionistischen Verschwörung“ gegen das sozialistische System in Osteuropa. Als wichtiger „Drahtzieher“ dieser „Verschwörung“ galt der jüdisch-stämmige Germanist und Präsident des tschechoslowakischen Schriftstellerverbandes Eduard Goldstücker (1913–2000). Die bewegende Vita des prominenten Intellektuellen, seine tatsächliche Rolle im „Prager Frühling“ und seine Rezeption im Ostblock und in der Bundesrepublik Deutschland sind zentrale Schwerpunkte der vorliegenden Fallstudie.
Deutsche Juden in der Novemberrevolution von 1918/19: Der Traum von der Zeitenwende
Als Ereignis des Bilanzziehens nach einem Jahrhundert jüdischer Emanzipation wartete die Novemberrevolution mit einem ambivalenten Ergebnis auf: Viele deutsche Juden hatten geglaubt, im Krieg ihre Loyalität zur Nation bekunden zu können. Doch der Antisemitismus blieb und verschärfte sich auf 1918/19 zulaufend. Die Revolution selbst katalysierte latente Ressentiments. Der Essay zeichnet ein Porträt dieser Zeit und stellt führende deutsch-jüdische Akteure vor, die mit ihrer Forderung nach einem radikal sozialistischen Umbau der deutschen Gesellschaft zwar eine Minderheitenposition vertraten, in der öffentlichen Wahrnehmung aber besonders präsent waren. Er verfolgt ihre Motivationen und verdeutlicht ihre Ambitionen, am Ende einer Epoche und am Ende des Krieges den Aufbau einer anderen Gesellschaft zu verwirklichen.